Frau im Baugewerbe - Teil 2 - Die Ausbildung im Lehrbetrieb [Kolumne]


Im ersten Teil habe ich erzählt, wie sich die Lehrstellensuche für mich damals, vor 20 Jahren so gestaltet hat. Weil der erste Teil so gut ankam und immer noch rege gelesen wird (womit ich echt nicht gerechnet hätte), ist es demnach höchste Zeit für den nächsten Teil der "Frau im Baugewerbe-Kolumne". Und so schreibe ich in diesem Beitrag darüber, was in den drei Jahren Lehrzeit im betrieblichen Teil so passiert ist. Wie habe ich meine Lehrzeit auf der Baustelle so erlebt? Oder wo gab es Konflikte und Drama? Falls Du den ersten Teil noch nicht gelesen hast und von Anfang an mitlesen möchtest, findest Du Teil 1 hier verlinkt. 



Mein erster Lehrbetrieb hatte seinen Sitz im Seeland. Meinen ersten Tag in diesem grossen Betrieb, konnte ich kaum erwarten. Ich war beeindruckt von dem riesigen Werkhof, dem grossen Materialbestand und den vielen Leuten, die sich morgens um 6 Uhr dort tummelten. Das kannte ich so nicht. Mein Gedanke damals war nur "Boah! So eine Firma will ich auch mal haben!" Voller Eindrücke ging es dann auf die erste Baustelle. Die erste Baustelle vergisst man nie. Egal, ob die erste Baustelle in der Lehre, nach der Lehre, oder die erste Baustelle als Bauführer. Meine Aufgabe auf dieser Baustelle war es, Aussparungen aus Schaltafeln zu erstellen. Gefühlt Tausende. Anzeichnen, Schaltafeln zuschneiden, zu einer "Kiste" zusammenfügen. Nicht sonderlich komplex, aber ich war auf jeden Fall länger damit beschäftigt. Es folgten, - wie das so ist, viele weitere Baustellen und die liefen bei weitem nicht immer zufriedenstellend für mich ab. 

Bei den meisten Vorgesetzten wurde ich nämlich mehrheitlich zur Baustellenputzfrau, zur Kaffeeherstellerin, oder zur Zentralstelle für den Alkoholeinkauf degradiert. Das ging eine Weile so. Trotzdem, meine Mitarbeiter und Vorgesetzten waren gute Typen und ich glaube, sie meinten das auch nicht böse. Bei meinem Chef sah das anders aus. Ich merkte schnell mal, wie der tickte. Morgens um 6 im Werkhof stauchte er Jeden zusammen, der ihm über den Weg lief. In ohrenbetäubender Lautstärke. Und auch auf der Baustelle war er nicht weniger impulsiv. Einmal bekam auch ich mein Fett weg. Als ich meine Einwände kund tat, drehte er definitiv im dunkelroten Bereich und schrie sich die Kehle aus dem Hals, um mir mitzuteilen, dass ich doch nicht mal den Lehrlingslohn wert sei. Natürlich folgte weder eine Entschuldigung, noch sonst was. Das ist mir geblieben. Als schöne Abwechslung empfand ich es, wenn ich ab und zu mal einen Tag im Werkhof war. Da gab es aber mal einen Vorfall, der extrem teuer und dumm hätte rauskommen können. Der Werkhof hatte ein Plateau über dem EG. Heute bekomme ich graue Haare, wenn ich daran denke, dass dieses Plateau völlig offen, ohne jegliche Absturzsicherung, konstruiert war und sich ein Stapler darauf befand. Der Magaziner meinte es wohl einfach gut mit mir und hat mich in seinem Beisein auf diesem Plateau mit dem Stapler fahren lassen. Zum Glück in seinem Beisein, denn ich hätte den Stapler beinahe über dieses Plateau in's EG runter stürzen lassen. Ich wollte auf jeden Fall nie wieder dort oben Stapler fahren. Wäre mir wohl nachdem Fauxpass auch nicht mehr gewährt geworden. Noch heute sind Stapler und ich keine Freunde. 

Irgendwann stand dann mein Manko, welches durch die Arbeitsgestaltung meiner Vorgesetzten entstand, im Raum. Ich bin mir nicht mehr genau sicher, wer den Stein ins Rollen brachte. Ob es der Kursleiter, der Lehrer, oder mein Vater war. Auf jeden Fall wurde der Betrieb vom BBT unter die Lupe genommen. Das BBT kam zum Entschluss, dass in diesem Betrieb Lehrstellen wohl nicht zum lernen, sondern eher um billige Arbeitskräfte zu generieren, geschaffen werden. Das Ergebnis: Ich sollte den Lehrbetrieb wechseln. So wurde dieses Lehrverhältnis fristlos aufgelöst und ich half, - nach Rücksprache mit dem BBT in der Übergangszeit im Betrieb meines Grossvaters aus. Und noch heute muss ich sagen; ich habe in diesen 3 Monaten wohl mehr gelernt, als in den 9 Monaten zuvor. Nach unzähligen Bewerbungen und dem 5. Vorstellungsgespräch, hatte ich aber dann just an meinem Geburtstag, eine Zusage eines neuen Lehrbetriebs im Sack. 

Rückblickend auf dieses 1. Lehrjahr kann ich sagen; gelernt habe ich nicht sonderlich viel (Sinnvolles) und ich eckte auch hie und da an. Es gab viele "Frauen-an-den-Herd" Diskussionen. Und auch wenn dies jetzt nicht so rüberkommen sollte, aber anders kann ich es nicht sagen, weil es einfach so war; Die Einstellung zu einer Frau auf der Baustelle war damals extrem abhängig von der Nationalität. Währenddem es die Portugiesen, Spanier und Italiener nach dem Motto "Du musst Dich doch als Frau nicht so abmühen und besser Bitzeli spaziere ganze Tag, oder Kafi trinke" total lieb und gut meinten, gab es die Meinungen vom anderen Lager. Diese Arbeiter, die mir immer wieder zu verstehen gaben: "Du gehörst hier nicht hin, - eine Frau gehört hinter den Herd. Entsprechend wurde ich dann teilweise auch behandelt. Heute ist das (zum Glück) anders, aber man muss sich vorstellen; das war damals Anfangs 2000er. 

Mein neuer Lehrbetrieb war dann um ein Vielfaches kleiner und auch um ein Vielfaches lehrlingsfreundlicher. Zugegeben, in diesem Betrieb, gab's den Ein, oder Anderen, welcher seine speziellen Eigenschaften hatte. Wie zum Beispiel der Millimeter-Peter, der aus jedem Millimeter Abweichung eine Staatsaffäre machte und zur Dramaqueen wurde. Toleranzen gab es für Ihn nicht, egal ob sie in Stein gemeisselt waren, oder nicht. Im Grossen und Ganzen kamen in diesem Betrieb aber wohl alle gut mit mir klar. Oder besser gesagt, alle bis zum Tag X, als ich die bei meinem Grossvater erworbenen Skills auf der Baustelle anwendete. Meinem Vorarbeiter, - ich nenne ihn jetzt mal Drama-Hans, passte diese Art der Arbeitstechnik nicht, ich blieb natürlich stur und so entstand ein eher unschöner Konflikt. Der Chef war zwar auf meiner Seite und achtete von da an darauf, dass Drama-Hans und ich nicht mehr alleine auf der Baustelle arbeiteten, er dachte sich jedoch, dass es funktioniert, wenn auch andere mit auf der Baustelle arbeiten. Das war ein Trugschluss. Eines Tages, als wir in der Mittagspause waren, erzählte einer meiner Arbeitskollegen etwas Lustiges. Ich musste lachen und schaute dummerweise in Richtung Drama-Hans. Ja, die Konsequenz von meinem Lachen und dem Blick, welche Gesten ja eigentlich gar nicht ihm galten, war dann, dass Drama-Hans total eskalierte und eine Mineralflasche aus Glas nach mir warf. Haarscharf hatte die Flasche meinen Kopf verpasst und der Schock bei mir und meinen Mitarbeitern sass tief. Zumal niemand verstehen konnte, was der Grund für seinen Ausraster war, aber ich vermute, er hatte nicht ganz verstanden, was mein Mitarbeiter erzählte und meinte wir lästern über ihn. Das ist aber nur meine Theorie. Tatsächlich kam es aber nie wieder vor, dass ich mit Drama-Hans auf der Baustelle war.

Ansonsten gab es keine wirklichen Zwischenfälle, Konflikte und Dramen. Ausser, dass ich bei der Arbeitskleider-Bestellung viel zu grosse Arbeitshosen bestellte. Ich fand halt einfach den damals ultrahippen "Hopper-Style", welchen ich auch in meinem Arbeitsalltag integrieren wollte gut. Irgendwann wurde es dem Chef aber zu bunt, oder besser gesagt, meine Hose zu locker. So bestellte er automatisch 4 Grössen kleiner und bestand darauf, dass ich von da an diese trage. Und einmal bin ich mal fast vom Gerüst gefallen, weil der Gerüstladen nicht gut befestigt war und rutschte. Ich hatte jedoch Glück im Unglück. Mein "Unterstift" verhinderte Schlimmeres und zog mich, - mit meinen damals stolzen 83 Kilos auf den Rippen, wieder rauf. Seither sind Gerüste und ich, auch nicht mehr so gute Freunde. Schäden durch mich gab es übrigens fast keine. Einmal habe ich mit dem Spitzhammer eine Wasserleitung getroffen. Passiert doch jedem mal! Und einmal habe ich eine Decke aus Elementen zerstört. Das war dumm gelaufen, wenn der Domino-Effekt mal in Fahrt ist.. Aber, das lassen wir jetzt lieber. 

Alles in allem habe ich aber in den letzten zwei Lehrjahren, - auch wenn ich häufig wieder zur Zentralstelle für den Alkoholeinkauf herhalten musste, alles Wichtige und noch speziellere Arbeiten darüber hinaus erlernt. Ich hatte auch eigene Baustellen und konnte mich verwirklichen. Das ist schlussendlich ja das Wichtigste. Mein damaliger Chef sagte übrigens gegen Lehrende einmal zu mir; "Mit deinem Potential ist das in etwa so, wie wenn Du einen Ferrari hast, aber immer nur 40 fährst. Der Spruch ist mir geblieben, auch wenn dieser damals, beim einen Ohr rein - beim anderen Ohr wieder raus ging. Heute weiss ich, dass es häufig daran lag, weil es mir manchmal einfach an Selbstbewusstsein mangelte. Wenn man sich als Lehrling in gewissen Momenten fragt; ob das was man macht, fachlich auch richtig ist, läuft man automatisch nur im ersten Gang. Das Einzige, was man dagegen tun kann ist: Einfach mal machen und nicht zu viel darüber nachdenken! Hauptsache das Endergebnis stimmt.






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